Meißen fehlen die Touristen
Eine Woche nach Abzug der Rems-Murr-Feuerwehren brauchen die hochwassergeplagten Meißener den Alltag
Eine gute Woche nach der Rückkehr der Rems-Murr-Feuerwehren aus dem Meißener Hochwassergebiet bestimmt dort nicht mehr nur die Flut den Alltag. Die Normalität ist größtenteils wieder eingekehrt. Jetzt geht es an die Beseitigung und die Bezahlung der entstandenen Schäden.
Während der Bund noch über die genaue Finanzierung der Fluthilfen diskutierte, planten die Bürger der hochwassergeplagten Stadt Meißen schon wieder die Zeit danach. Renoviert und gebaut wird noch immer, trotzdem geht das Leben weiter. Am Donnerstag fand der jährliche Seniorentag „Fit fürs Alter“ rund ums Rathaus und dem Marktplatz statt, die Menschen freuen sich auf die lange Nacht der Kunst, Kultur und Architektur Anfang Juli. Selbst das Theater ist dann wieder mit dabei, obwohl, am tiefsten Punkt von Meißen gelegen, besonders schwer vom Elbhochwasser betroffen.
Hielt die Sächsische Zeitung vor einer Woche ihre Leser noch mit Liveticker und Facebook-Posts über Pegelstände und Flutberichten auf dem Laufenden, mischen sich heute Meldungen über Hochwasserschäden zwischen Gerichtsgeschichten und Ausstellungseröffnungen.
Das Wasser der Elbe zieht sich weiter zurück, die Plätze entlang dem Ufer tauchen langsam wieder auf und werden zugänglich. Katharina Reso von der Stadt Meißen freut sich über belebte Gässchen und Kneipen: „Wir sind froh über jeden Touristen, der sich von dem Hochwasser nicht hat abschrecken lassen. Für unsere Stadt ist gerade der Sommer wichtig.“ Sie hofft, dass in dieser Hinsicht das Thema „Flut“ durch ist, die Reisenden Meißen wieder für sich entdecken. Die Stadt kämpfe darum, diese Verluste so gering wie möglich zu halten. Dennoch bleiben viele Besucher fern.
Obwohl die Helfer von außerhalb nun vollends abgezogen sind, alleine stehen die Meißener nicht da, weiß Reso: „Es gehen immer noch Hilfsangebote ein. Betroffene Ladenbesitzer werden angefragt, ob sie eine ausgediente Ladeneinrichtung brauchen können.“ Zusätzlich gebe es noch Geldspenden von außerhalb und Soforthilfen der Stadt Meißen für die Geschädigten. „Natürlich ist das für viele nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so Reso. Der Gesamtschaden wird von der Stadt auf rund 48 Millionen Euro geschätzt. „Trotzdem hört man wenig Negatives.“ Wenn, dann von jenen, sagt Reso, die besonders betroffen seien und es auch schon 2002 waren. „Ansonsten zeigen sich die meisten zufrieden, wie alles ablief, wie Bürger, Stadt und Helfer gemeinsam die Sache gemeistert haben.“
Mit „gemeinsam“ sind in diesem Fall auch die Feuerwehren aus dem Rems-Murr-Kreis gemeint: Insgesamt sechs Tage pumpten die 59 Einsatzkräfte aus Fellbach, Kernen, Murrhardt, Remshalden, Schorndorf, Waiblingen, Winnenden und Winterbach über 100 Keller aus. Auch eine Spendenaktion vom Landratsamt soll für Unterstützung sorgen.
„Massenquartiere haben wenig mit Pfadfinderromantik zu tun“
Noch ändert sich der Stand des Spendenkontos täglich. Eingesetzt werden die Gelder für Kinderbetreuungseinrichtungen. „Dort ist der Bedarf groß“, so Harald Knitter vom Landratsamt Rems-Murr. Eine der betroffenen Kindertagesstätten im Kreis Meißen ist die Einrichtung „Tausendfüßler“ im Zeithainer Ortsteil Kreinitz. Die Einrichtung weist einen Schaden von rund 150 000 Euro auf. 67 Kinder besuchten vor dem Hochwasser die Kita. Laut Mitteilung sei das komplette Kellergeschoss betroffen. Dort sind die Garderoben und Abstellräume der Kinderwagen sowie die Technikräume untergebracht. Außer zerbrochenen Fenstern ist durch das Grundwasser die Bodenplatte im Haus gebrochen und teilweise angehoben. „Das kann man sich hier kaum vorstellen. Die Einrichtungen haben zwar viel im Vorfeld des Hochwassers unternommen, um das Inventar zu retten. Doch die Bausubstanz ist enorm kaputt.“ Regelmäßiger Kontakt bestehe noch immer, bestätigt Knitter. Man erkundige sich, wo die Hilfe am nötigsten sei und wie sie eingesetzt werden könne. Die detaillierte Planung überlasse man aber Meißen. „Es liegt auf der Hand, dass die Menschen einen sehr langen Weg in die Normalität beschreiten müssen“, so Knitter. Gerade den Kindern wolle man eine baldige Rückkehr in den gewohnten Alltag und das Zusammenleben mit Freunden ermöglichen, so Landrat Johannes Fuchs in einer Mitteilung.
Die Feuerwehren sind unterdessen trockenen Fußes wieder im Rems-Murr-Kreis angekommen. Körperlich erhole man sich schnell, was aber bleibt, so Andreas Wersch, Kreisfeuerwehrsprecher, „sind die Eindrücke. Das bringt einen auch menschlich weiter“ – gerade die jüngeren Kameraden, die so einen Einsatz noch nicht miterlebt hätten, ist Wersch überzeugt. „Das holt einen ein Stück weit in die Realität zurück.“ Man kenne Massenquartiere zwar aus dem Fernsehen, doch erst wenn man selbst darin übernachten müsse, verstehe man, dass es wenig mit Pfadfinderromantik zu tun habe. „Erst dann aber kann man das nachvollziehen, was man erlebt, in welcher Situation die Menschen sich in Meißen befinden“, sagt Wersch.
Die Feuerwehren aus dem Kreis halten regelmäßigen Kontakt zu den Meißener Kollegen. Der Einsatz an sich ist zwar beendet, ganz sei die Aktion Fluthilfe in Meißen aber noch nicht abgeschlossen. Die Bürokratie greife nun: Fotodokumentationen und Einsatztagebücher müssten noch ausgetauscht werden.
Und so wie Wersch werden wohl die meisten der Rems-Murr-Kameraden Meißen als ein besonderes Erlebnis in Erinnerung behalten: „Ich komme gern nach Meißen, es muss aber nicht immer beim Hochwasser sein“, scherzt Wersch.
Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 21.06.2013 / Text: Nicole Heidrich