Wenn Helfer behindert werden
Kernen. „Stell dir vor, es brennt – und keiner kommt“, warnen Feuerwehr, Polizei und DRK Kernener Autofahrer. Sie rufen dazu auf, beim Parken eine Gasse von drei Metern für Löschfahrzeuge freizuhalten. Denn ist die Straße blockiert, vergeht kostbare Zeit, bis Hilfe ankommt. Köln droht mit Anzeige und Abschleppen. Kernen setzt auf Einsicht.
Feuerwehrmann Bernd Großmann sitzt beim früheren Gasthof „Pfeffer“ am Steuer seines sieben Meter langen Tanklöschfahrzeugs fest. Hinter ihm ein DRK-Rettungsfahrzeug. Kein Durchkommen mehr. Eine abgeschrankte Baustelle in Blickweite, ein geparkter Unimog mit Anhänger unmittelbar vor ihm, der die Pommerstraße an dieser Engstelle unpassierbar macht. Großmanns Gefährt misst 2,80 Meter Breite. Die Tiefe der Mittelgasse zwischen Unimog und den geparkten Pkw auf der gegenüberliegenden Straßenseite lässt sich schätzen: 2,50 Meter, höchstens. Würde es am anderen Ende der Pommerstraße lichterloh brennen, müsste Großmann jetzt zurückstoßen, den Lkw wenden und den Brandherd von der Gegenseite ansteuern. Doch dieses hier ist eine Probefahrt. Bernd Großmann stellt den Motor ab, steigt aus und berät sich in Ruhe mit seinem Geleitzug.
Klaus Auer: Der Erste darf parken, der Zweite muss Abstand halten
Die Straßenverkehrsordnung schreibt auch für solch schmale Passagen eine freizuhaltende Fahrbahnbreite von drei Metern vor. Mindestens. Vor dem früheren Kultwirtschäftle parken entgegen der Fahrtrichtung des eingeklemmten Feuerwehrfahrzeugs zwei Pkw, ein Renault, ein Ford. Sie waren hier offenbar die Ersten. Wenn Parker auf beiden Straßenseiten stehen und es für den Durchgangsverkehr zu eng wird, sind rechtlich die Ersten aus dem Schneider. „Wer zuerst kommt, darf parken“, betont der Fellbacher Revierleiter Klaus Auer, der dem Konvoi in seiner Polizeistreife vorausfährt, „das darf der Zweite nicht.“
Gemeint ist das Unimoggespann, dessen Fahrer über eine von Auer angeordnete Halterfeststellung ausfindig gemacht wird. Rasch taucht er auf und entschuldigt sich bei den Beamten höflich. Ihn und sein langes Gefährt hatte die Baustelle weiter vorne blockiert. Eine fatale Kettenreaktion.
Im Ernstfall können solche Blockaden durch arglose Autofahrer lebensrettende Hilfseinsätze gefährden. Gesamtkommandant Andreas Wersch bestätigte gestern, vor allem die Erschließungsstraßen in Kernener Wohngebieten seien oft nicht passierbar. Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst könnten sie nur erschwert, schlimmstenfalls gar nicht befahren. In 17 Jahren bei der Feuerwehr habe er schon einige Fälle erlebt, wo unter dem Stress des Löscheinsatzes Rückspiegel abgerissen wurden. Es ging nicht anders.
Parken an Engstellen sei grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld und Punkten in Flensburg geahndet wird. Doch Gesamtkommandant Wersch appelliert an Einsicht, ans Gewissen: Auch Falschparker könnten ja eines Tages auf den Rettungswagen angewiesen sein. Der Pädagoge klemmte während der Rundfahrt in Stetten zahlreiche gelbe Hinweiszettel unter die Scheibenwischer.
Vor allem nach Feierabend stehen die Straßen voll, das zeigte auch der Test in der Kolbenhalde. In der Brahmsstraße wird links und rechts so geparkt, dass kaum ein Pkw durchkommt. Oft werden Tiefgaragenparkplätze anderweitig genutzt oder sie sind schlecht anfahrbar. Was die Enge der Fahrwege, etwa im Kleinen Feldle I angeht, müsse sich der Gemeinderat selber an die Nase fassen, räumt CDU-Fraktionschef Wersch ein. Zudem sei die Zufahrt zur Karl-Mauch-Schule für Einsatzkräfte ein Problem. Die in Neubaugebieten vorgeschriebene Stellplatzdichte von aktuell 1,5 je Wohneinheit hält Wersch nicht für ausreichend, zumal die Stellplatzverpflichtung auch abgegolten werden könne.
Die Fellbacher Drehleiter ist noch länger als das Löschfahrzeug, das Bernd Großmann steuert. „Unser Leute haben den IIer-Führerschein, das sind Weingärtner“, sagt er. „Die fahren nicht jeden Tag ein so großes Fahrzeug.“ Und nachts unter Zeitdruck einen Noteinsatz fahren, ist Stress pur. Bei Pkw, die die Helfer blockierten, reichten im Notfall auch schon vier Schaufeln, die, unter die Räder geschoben, es erlauben, ihn mit vereinten Kräften wegzuschieben.
Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 23.10.2012
Text: Hans-Joachim Schechinger
Fotos: Foto: Büttner/ ZVW