Die Feuerwehr feiert und fordert

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 26.02.2018 / Text: Hans-Dieter Wolz 

Zum 150-jährigen Jubiläum wünschen sich die ehrenamtlichen Brandbekämpfer Stettens bei ihrem Festakt im Bürgerhaus unter anderem von administrativen Tätigkeiten entlastet zu werden. Ihre verbeamteten Vertreter unterstützen das

Die Feuerwehr in Stetten weiß zu retten und zu helfen. Sie kann aber auch zünftig feiern. Mit einem Festakt für etwa 300 geladene Gäste zum 150-jährigen Bestehen leiteten die Feuerwehrleute am Samstag das Jubiläumsjahr ein und setzten einen Maßstab für Ausdauer: Es gab eine sportliche Performance im Schwarzlicht „I think I spider“ von der Gruppe „Montastix“ der Spvgg Rommelshausen, einen Filmausschitt von Rheinhold Reichle über eine Feuerwehrübung 1958, dazu Ansprachen, Interviews von Feuerwehroberen und Politikern auf zwei roten Sitzgelegenheiten. Und mit drastisch humorvollen bis absurden Szenen aus der Welt der Brandbekämpfung durch den Feuerwehr-Kabarettisten Günter Nuth dehnte sich der kurzweilige Abend im Bürgerhaus einschließlich eines Essens auf weit über fünf Stunden aus – allein im offiziellen Teil.

Beim Feiern blieb die Politik nicht ausgespart, sondern integriert. Ein geschichtlicher Rückblick von Andreas Wersch unter anderem über die schwierige Suche nach einem Grundstück für ein Feuerwehrgerätehaus, endlich 1964 in der Bachstraße eingeweiht durch den damaligen Bürgermeister Jäkle, gab den Anlass. Dieses Ereignis verweist auf den heutigen Dauerzwist zwischen Feuerwehr und Bürgermeister Altenberger um einen möglichen gemeinsamen Neubau auf der Hangweide: „Die Grundstückssuche war so schwierig, weil das Gerätehaus zentral im Ort sein sollte. Die Alten waren nicht doof“, sagte Wersch. Das Thema weckte Emotionen: Ein Wunsch des Bürgermeisters, die Feuerwehrleute mögen bis in ein paar Jahren Ortsteildenken und Animositäten überwinden, kam nicht gut an. Selbst sein Versprechen, ein modernes Gerätehaus für die beiden bisher getrennt in Rommelshausen un Stetten untergebrachten Abteilungen zum Preis von ein paar Millionen Euro hinzustellen, erhielt Buh-Rufe.

Was sich die Feuerwehr für die Zukunft anstatt eines neuen Hauses wünscht, stellte Kommandant Wersch vor: „Die Feuerwehr ist eine kommunale Pflichtaufgabe, ausschließlich im Ehrenamt stößt sie an ihre Grenzen. Ohne hauptamtliche Verstärkung wird es künftig nicht mehr gehen.“ Eine solche Verstärkung soll, wie er im Vorfeld der Veranstaltung sagte, ein fest beschäftigter Gerätewart in Stetten sein.

In dieses Horn blies auch der oberste Feuerwehrangehörige in Baden-Württemberg, Landesbranddirektor Karsten Homrighausen. Er versprach, sich im Innenministerium dafür einzusetzen, dass das Ehrenamt in der Feuerwehr von administrativen Tätigkeiten entlastet wird und sich auf das Wesentliche, die Brandkämpfung und technische Hilfeleistungen kümmern kann. So sieht es auch Kreisbrandmeister René Wauro: „Die Verwaltung nimmt überhand.“ Er und seine Mitarbeiter wollten diese Tätigkeiten übernehmen.
Der EU-Kommissar und frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) beglückwünschte die Menschen, „die für Sicherheit und Gesundheit der Menschen verantwortlich waren und sind.“ Er bewundere die Ausbildung der Männer und Frauen, die in immer neue Aufgaben hineingewachsen sind.
Oettinger erinnerte daran, dass die Altvorderen, die Gründer der Feuerwehr 1868, in einer schwierigen Zeit den Schutz der Mitmenschen vor Feuerbrünsten auf sich genommen haben: „1868 war mitten zwischen zwei Kriegen, zwei Jahre nach dem Krieg, zwei Jahre vor dem Krieg. Heute dagegen „sind wir im Frieden geboren, wachsen auf im Frieden und vererben nach Jahren des Friedens ein unzerstörtes Haus an unsere Kinder.“ Er mahnte: „Nur durch die Freundschaft zwischen den europäischen Nationen haben wir ein Leben, wie es keiner der Vorfahren genießen konnte. Was für eine glückliche Zeit!“

Andreas Wersch drückte es im Beisein von einigen Freunden aus der Feuerwehr der Partnergemeinde St. Pierre so aus: „Die Deutschen waren 1870, 1914 und 1939 doch blöd. Es ist viel schöner mit Euch Franzosen zu saufen, als auf Euch zu schießen.“

Der EU-Kommissar Oettinger mahnte, dass Deutschland allein nur ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht: Nur in einem gemeinsamen Europa werde sich das Land im weltweiten Wettbewerb Aufmerksamkeit und Geltung verschaffen können. „Wenn wir nicht erdrückt werden sollen, von Autokraten nicht erpressbar sein wollen, geht dies nur im europäischen Team.“ Er erinnerte daran, auch die gemeinsamen europäischen Werte zu pflegen und zu verteidigen: „Wir müssen für die parlamentarische Demokratie, die soziale Markwirtschaft, für Rechtsstaatlichkeit und Freiheit kämpfen, mehr als wir es bisher tun. Denn andere achten sie nicht oder verachten sie gar, wie Autokraten in Moskau oder Ankara oder auch in einem Flügel des Weißen Hauses“, sagte Günther Oettinger.

Feuerwehr-Splitter

Lobeshymne auf das Bürgerhaus: „Die neue Walhalla der Gemeinde, der Stephansdom von „Rom“. Es darf gerne in den zweitschönsten Ortsteil outgesourct werden“ (Andreas Wersch)

Zur Kommandantenehrung: „Ich würde den ganzen Aufwand nicht betreiben, wenn ich nicht so eine geile Feuerwehr hätte wie Euch“ (Andreas Wersch )

Brautentführung unter Feuerwehrleuten: „Es war bei der Hochzeit meiner ältesten Tochter. Konrad Bellon (der damalige Kommandant der Stettener Feuerwehr, die Redaktion) fragte an, ob sie meine Tochter in den Ochsen nach Stetten entführen dürfen. Als ich später eintraf, waren sie allerdings nicht dort, sondern eine andere Hochzeit. Da habe ich den Feuermelder aufgeschlossen und ausgelöst, und sofort waren jetzt alle Feuerwehrleute da: von 55 Mann sind 54 gekommen. Die Leute gestanden, im Krebenstüble zu sitzen, und ich, dass ich den Fehlalarm ausgelöst habe“ (Karl Florian Idler, früherer Kreisbrandmeister)

Tipp für den Kreisbrandmeister: „Lern schwäbisch!“ (Karl Florian Idler zu René Wauro, vorher in Köln tätig)

Reime-Wettstreit: „Meine Dichtkunst war nicht ganz so groß wie seine, aber er hat ja auch mehr Zeit gehabt, der war ein Bürgermeister und ich ein Kreisbrandmeister“ (Karl Florian Idler über Werner Jäkle)

Kleine Streiche unter Feuerwehrleuten: „Das waren wieder Konrad Bellon und seine Leute. Die Feuerwehrmänner redeten davon ein Auto aufgebockt zu haben, dazu sagte ich nur: Ich tät’s aber merken. Wir waren im „Pfeffer“ (früherer Stettener rustikaler Gasthof, die Redaktion). Beim Wegfahren habe ich Gas gegeben – und nichts ist passiert. Jetzt ist mir’s eingefallen: Mein Auto war aufgebockt (Karl Florian Idler)

Über Feuerwehrfrauen: „Es ist selbstständlich, dass Männer und Frauen bei der Feuerwehr gemeinsam Brände bekämpfen. Ich setze die Zielmarke: Bis zur Kommandantenwahl habt Ihr wieder 28 Frauen bei der Feuerwehr wie 1920 schon“ (Claus Paal, CDU-Landtagsabgeordneter)

Früh über die Feuerwehr informiert: „Mein Vater wurde als Bürgermeister über jeden großen Einsatz informiert. Die Alarmierung geschah im Schlafzimmer meiner Eltern. Das war meine erste Erfahrung als Kind von der Feuerwehr. Mein Bruder und ich wussten immer, wenn die Feuerwehr nachts ausrückte und Vater ebenfalls raus musste“ (Jochen Haußmann, FDP-Landtagsabgeordneter)

Ein Schemel fürs Bürgerhaus: „Einen Schemel hat sich die frühere baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter (die nicht sehr groß gewachsen ist, die Red.) als Festrednerin bei der Einweihung des Bürgerhauses gewünscht, damit sie nicht hinter dem Pult auf der Bühne verschwindet. Meine Feuerwehrkameraden haben mir so ein Ding geschaffen – mit Teppichboden und Warnmarkierungen. Ich gebe es anschließend in Dauerleihe an das Bürgerhaus“ (Andreas Wersch)

Der betrunkene Schultes: Der Bürgerausschuss der Gemeinde Stetten, ein Vorläufer des Gemeinderats, beschwerte sich beim Ruggericht vom 25. April 1836: „… als es im vorigen Jahr in Berg gebronnen habe, der Schultheiß Moser selbst in großer Betrunkenheit, und nachdem er vorher vor dem Rathaus in seinem Zustand das Gespött der Bürgerschaft geworden, mit andern auf der Spritze gesessen sey. Nachdem das Ansehen des Schultheißen bereits öfter unter seiner Trinkfreudigkeit gelitten hatte, leitete das Ruggericht den Fall der Schwere wegen an die Königliche Kreisregierung weiter… Die Qualität der Bürgermeister hat seither stark zugenommen“ (Andreas Wersch)

Ehrungen verdienter Feuerwehrleute

Wie viele Feiern war auch der Festakt zum 150 Jahren Stettener Feuerwehr ein Anlass für besondere Ehrungen. Landesbranddirektor Karsten Homrighausen, ranghöchster Feuerwehrangehöriger in Baden-Württemberg, würdigte die Verdienste von Manfred Idler, der 50 Jahre lang im aktiven Dienst ist. Er ist seit der Gründung der Jugendfeuerwehr vor einem halben Jahrhundert dabei.

Überrascht, ja es verschlug ihm fast die Sprache, erhielt der Kommandant der Feuerwehr Kernen, Andreas Wersch, von Stefan Hermann, Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbands, die nur selten verliehene Ehrenmedaille des Verbands in Gold für seine ehrenamtlichen Dienste und Verdienste um die Feuerwehr.

Stefan Altenberger, als Bürgermeister Chef und Ausstatter der örtliche Brandbekämpfer, wurde noch mit der Ehrennadel des Kreisfeuerwehrverbands in Silber ausgezeichnet.

Für 25 Jahre aktiven Dienst erhielten Georg Spinner, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands, überreichte eine Spende an die Jugendfeuerwehr.