Die neuen Typen haben ihre Tücken

Fellbacher ZeitungDie Luft steht auf dem Gelände der Kläranlage Haldenbach. Die Temperaturen sind hoch, und in der Schutzausrüstung mit den Leuchtstreifen schwitzen die Feuerwehrangehörigen. Doch nicht deshalb flucht Fabian Zimmer hinter seinem Helmvisier leise vor sich hin. Die zwei Hälften des Schneidgeräts, mit denen der Stettener den Fahrersitz ganz unten durchtrennen will, haben sich verkantet. Florian Michalke, der den Sonderlehrgang leitet, rät, noch einmal neu anzusetzen: ‚Das Zeug ist echt stabil.‘

Am Samstag haben die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Stetten ein Fahrzeug aus einer Nullserie zerlegt. ‚Die Autos werden in Fernsehserien wie ,Alarm für Cobra 11′ oder so eingesetzt, taugen aber nicht für den regulären Verkehr. Wenn wir Glück haben, bekommen wir eines, um damit zu üben‘, sagt Andreas Wersch. Der Kernener Feuerwehrkommandant – und Abteilungskommandant der Stettener Wehr – beobachtet die Bemühungen seiner Leute um die ‚große Seitenöffnung‘ aus der Ferne.

Normalerweise trainiert die Feuerwehr mit alten Autos, wie sie kaum mehr auf den Straßen unterwegs sind. Die neuen Fahrzeuge haben jedoch eine ganz andere Technik, und es werden beim Bau andere Materialien verwendet. Im Internet gibt es deshalb Rettungsleitfäden für nahezu jedes Modell. Die gängigsten haben die Stettener in ihrem Einsatzleitwagen im Computer gespeichert.

Die neuen Typen haben allerdings ihre Tücken. Die speziell gehärteten Chassis der modernen Autos bringen die Werkzeuge der Feuerwehr an ihre Grenzen. Das bekommt Fabian Zimmer zu spüren. Erst im zweiten Anlauf gelingt es ihm, die Sitzhalterung des Vorserienfahrzeugs zu zerschneiden. Es knackst laut. ‚Jetzt könntet Ihr den Verletzten seitlich auf seinem Sitz herausheben‘, sagt Feuerwehrmann Michalke und nickt zufrieden.

Von der Seite, von hinten und von oben greifen die Stettener mit Spreizer und Schneidgerät an. Die schicke weiße Limousine hat bereits ziemlich gelitten. Der Haufen Blech, auf den die Feuerwehrleute die Einzelteile stapeln, ist schon recht groß. Wenn die Floriansjünger mit dem Auto fertig sind, ist nur noch Schrott übrig.

Timm Eißele setzt den Spreizer an der Heckklappe an. Das Blech stemmt sich mit lautem Ächzen dagegen. Erst mit Unterstützung von Siggi Pfeil gelingt dem 21-Jährigen der Durchbruch. Als die Klappe endgültig fällt, knirscht es furchtbar. ‚Ganz schön widerspenstig‘, sagt Florian Michalke. Der Blechberg wächst weiter. Auf der Fahrerseite sind bereits beide Türen und die B-Säule in der Mitte weg, so dass der Notarzt gut an den Verletzten herankäme. Doch Florian Michalke möchte auch noch eine Dachöffnung ausprobieren. Bei einem Unfall müssen die Feuerwehrangehörigen schnell handeln, bei einer Übung haben sie Zeit zum Ausprobieren. ‚Und bei den neuen Fahrzeugen müssen wir weniger schneiden, wir können mehr reißen.‘ Zwei kleine Schnitte mit dem Schneidgerät S 270, das so heißt, weil es seine Scheren bis auf 270 Millimeter aufreißen kann, genügen. Den Rest erledigen zwei hydraulische Zylinder, die das Dach nach oben wegdrücken. ‚Seht ihr die Windschutzscheibe, die rupft es regelrecht auseinander, da können wir uns das Sägen sparen‘, sagt Florian Michalke.

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Mit zwei hydraulischen Zylindern wird das Dach des Vorserienfahrzeugs hochgehoben – und die Frontscheibe reißt.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 30.07.2013 Text: Eva Herschmann Foto: Eva Herschmann